Handicap-Love – Sexualbegleitung, eine Therapie oder Prostitution?

Das Thema Sexualbegleitung sorgt regelmäßig für hitzige Diskussion, ist es eine therapeutische Maßnahme oder Prostitution?

Zu einem selbstbestimmten Leben gehört für die meisten Menschen auch das Ausleben der eigenen Sexualität, für Menschen mit einer Behinderung ist es in den meisten Fällen ebenso. Viele Menschen mit einem Handicap haben ein Bedürfnis nach Sexualität, doch oft bleibt ihnen dieser Wunsch verwehrt. Die Gründe sind unterschiedlich, oft mangelt es bereits am Selbstbild “Was sollte ein anderer Mensch schon von mir wollen?” in anderen Fällen fehlt die Fantasie “Ich würde schon, aber wie sollten wir das denn bewerkstelligen?” und wieder Andere werden vom akuten Verlust der Muttersprache befallen wenn sie sich einem interessanten Menschen nähern, letzteres ist allerdings nicht spezifisch für eine Behinderung.

Es liegt aber nicht nur an den behinderten Menschen, auch unsere Gesellschaft tut sich mit den Fragen die dieses Thema umgeben äußerst schwer. Bekommt ein Mann der im weitesten Sinne an Muskelschwund leidet überhaupt eine Erektion? Wieviel Selbstbestimmung traut man eigentlich jemanden mit einer geistigen Behinderung zu, weiß eine solche Person überhaupt was sie möchte? Ein Mensch mit einem Querschnitt, wozu sollte der Sex brauchen? Der spürt doch ohnehin nichts!

Selbst wenn das alles nicht der Fall ist, gibt es sehr oft noch ein familiäres Problem, nämlich die Eltern. Ich will den Eltern von behinderten Menschen hier keine Vorwürfe machen, im Gegenteil, die meisten Pflegen ihre Kinder so voller Hingabe das es an Selbstaufopferung grenzt. Doch genau hier entsteht in der Regel das besagte Problem, diese Eltern können nur sehr schwer die beschützende Rolle aufgeben, auch nicht wenn das Kind längst erwachsen ist.

Was tut man also wenn man als Mensch mit einem Handicap diese Erfahrung machen möchte und einfach nicht weiß wie? Die beste Antwort lautet Sexualassistenz oder -begleitung.

Eine sinnliche Massage.
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Was genau ist eine Sexualbegleitung?

In Deutschland sorgt das Institut zur Selbstbestimmung Behinderter (ISBB) in der niedersächsischen Stadt Trebel seit mehr als zwei Jahrzehnten für eine fundierte Ausbildung. Die Ausbildung dauert sieben Wochenenden, am Ende erhalten die Absolventen ein Zertifikat, meistens sind es Frauen.

Die Dienstleistungen sind vielfältig und individuell, grundsätzlich sind Sexualbegleiter dazu da alten und behinderten Menschen bei der Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse zu unterstützen. Das Angebot reicht vom Einkaufen von Verhütungsmitteln über die Hilfe zur sexuellen Befriedigung bis hin zum Geschlechtsverkehr. Mit einer Sexualbegleitung geht man eine emotionale Bindung für eine gewisse Zeit ein, gegen einen gewissen Betrag

Ist es dann nicht einfach Prostitution?

Die Berufsbezeichnung “Sexualbegleiter/Sexualbegleiterin” ist nicht geschützt, es darf sich also jeder Mensch so bezeichnen. Deswegen gibt es auch einige Prostituierte in dieser Berufsgruppe, allerdings ist das kein genereller Kritikpunkt, die genaue Anzahl der aktiven Menschen in diesem Beruf ist deswegen allerdings nicht bekannt.

Der Unterschied wird allerdings erst bei genauerer Betrachtung klar. Eine Prostituierte bietet sexuelle Dienste aller Art gegen Geld. Bei einer Sexualbegleitung kauft man gemeinsame Zeit, es geht in erster Linie um die Persönlichkeitsentwicklung und die Steigerung des Selbstbewusstseins des Kunden bzw. der Kundin.

Wer bezahlt das?

Sex auf Rezept gibt es in Deutschland derzeit nicht, den letzten größeren Vorstoß in diese Richtung übernahmen die Grünen, die Kritik war enorm. Einige Vereine kämpfen allerdings seit Jahren dafür, unter anderem wirbt der Verein “Pro Familia” dafür prüfen zu lassen ob sich einzelne Ansprüche durch staatliche Leistungen ableiten lassen.

In Artikel 2 des Grundgesetzes steht “Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ In Artikel 3 heißt es „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Die Interpretation dieser Texte im Bezug auf die Sexualität von Behinderten ist allerdings etwas das niemanden wirklich leicht fällt. Weder den Behinderten selbst, noch den Ämtern oder dem Gesetzgeber.

In einigen Ländern wie den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien und der Schweiz gibt es Dienstleistungsorganisationen, die Sexualbegleitung anbieten. Manche niederländische Kommunen geben in Einzelfällen finanzielle Unterstützung, doch die bürokratischen Hürden sind hoch. Für die Unterstützung müssen Behinderte beweisen „dass ihre Behinderung die wichtigste Ursache dafür ist, dass sie unfähig sind, ihre sexuellen Bedürfnisse zu erfüllen und dass sie nicht in der Lage sind, die Kosten für Sexualassistenz zu tragen“ In den meisten Ländern wird es allerdings privat bezahlt.

Meine persönliche Erfahrung.

Ich habe bisher zwei Mal eine Sexualbegleitung in Anspruch genommen, beim ersten Mal war es reine Neugier und das zweite Mal nur deswegen weil der erste Versuch für mich ein beeindruckendes Erlebnis war. Die vorherrschende Atmosphäre und das Einfühlungsvermögen meiner Begleiterin waren wunderbar, ich hatte nie das Gefühl diese Zeit gekauft zu haben.

Ich würde es jedem Menschen der sich in einem schwierigen Verhältnis zu seiner Sexualität befindet jederzeit empfehlen, nicht nur körperlich behinderten Menschen.

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