Handicap-Love – Interview zur Ausstellung “Alle tun es”.

Das Werbefoto für die Ausstellung "Alle tun es". Darauf zu sehen ist ein in schwarze Strapse gehüllter Oberschenkel, Die Strapse wird zusätzlich von einer roten Wäscheklammer gehalten. Es enthält außerdem die Aufschrift "Ausstellung, Joan van Hout, Alle tun es, Erotik barrierefrei, Freitag 20.03,2020 um 19:30 Uhr, im Südpunkt in der Pillenreuther Straße. 147 in 90459 Nürnberg.

Das erste Interview das ich selbst führen durfte. Mein Gesprächspartner ist Joan van Hout.

Mein erstes selbst geführtes Interview auf Sexabled! Liebe Leute ich freue mich ja so und es war eine spannende Erfahrung ein Interview selbst zu führen. Ich hatte das Vergnügen mit Joan van Hout. Joan ist 60 Jahre alt, ursprünglich stammt er aus Amsterdam doch mittlerweile lebt er schon seit mehr als 20 Jahren in Bayern. Abgesehen davon ist Joan Fotograf, im heutigen Interview geht es um seine Ausstellung mit dem Titel “Alle tun es”. In dieser Ausstellung hat Joan erotische Bilder ausgestellt, die besonderheit liegt in der Zusammenarbeit mit behinderten Models.

“Alle tun es!”.

Sexabled: Hallo Joan, zunächst möchte ich mich bei dir bedanken. Denn das hier wird das erste Interview für Sexabled und ich freue mich sehr darüber. Es geht um deine Ausstellung “Alle tun es” die in Nürnberg, im Südpunkt in der Pillenreuther Str. 147 stattfindet und vom Amt für Kultur & Freizeit veranstaltet wird. Erzähl den Leser*innen doch bitte was genauer sie zu sehen bekommen, wenn sie die Ausstellung besuchen.

Joan: Hallo Christian, es sind erotische Bilder, mit Models die verschiedene Behinderungen haben. Allerdings werden auch Bilder von Menschen ohne Behinderung gezeigt. Die Ausstellung heißt ja auch “Alle tun es”, deswegen zeige ich sowohl Menschen mit einer Behinderung als auch Menschen ohne Behinderung. Das ist es was die Menschen erwarten dürfen, wenn sie zu dieser Ausstellung gehen. Erotik, barrierefrei und offen, denn wie gesagt “Alle tun es”.

Sexabled: Das Thema Sexualität mit einer Behinderung wird eigentlich kaum beleuchtet und wenn doch, wird es oft belächelt. Wie kommt man als Fotograf auf ein derartiges Thema?

Joan: Letztes Jahr habe ich eine Ausstellung über Inklusion gemacht, bei der ich mit RollstuhlfahrerInnen zu tun hatte. Im Verlauf unseres Gesprächs haben dann 3 Frauen damit angefangen: „Ja wir tun ES auch.“. Ich habe ihnen dann zugesagt, für sie eine Ausstellung zu machen. Kurz darauf habe ich mach dann auch schon gefragt: “Was habe ich jetzt schon wieder versprochen?“; weil ich das Thema spannend fand, haben wir halt angefangen und so sind dann die Bilder entstanden.

Sexabled: Was ist für dich der wesentliche Unterschied wenn du Fotos mit behinderten Menschen machst? Also im Vergleich zu “gesunden” Models.

Joan: Meiner Meinung nach gibt es da keinen Unterschied, ob jemand behindert ist, oder nicht, ich meine Frauen sind Frauen. Ja, die eine sitzt im Rollstuhl und die andere nicht, aber für mich macht das keinen Unterschied. Es sind und bleiben Frauen und es sind und bleiben Menschen.

Sexabled: Ich möchte an der Stelle nur mal erwähnen, dass ich dir hierbei selbstverständlich recht gebe. Es ist doch sicherlich gar nicht so einfach behinderte Menschen zu finden die bei den Shootings mitmachen? Wo findest du deine Models?

Joan: Die meisten Models fanden die Idee einfach gut da mitzumachen, auch wenn ich für die Shootings nicht zahle, deshalb haben sie mitgemacht.

Sexabled: Mir persönlich ging es bei meinen Shootings immer so, dass ich immer ein wenig unsicher bin, zumindest am Anfang. Den Fotografen war das Natürliche immer wichtig. Wie gehst du ein Shooting an bzw. was ist dir dabei besonders wichtig?

Joan: Also das Allerwichtigste für mich ist, dass ich mit den Frauen ein Gespräch führen kann, noch bevor ich meine Kamera überhaupt auspacke. Ich denke, die Atmosphäre und das ganze drumherum muss schon passen, denn die Models sind ja keine Profis, sondern ganz normale Frauen im Rolli. Es gibt also immer ein Gespräch, bei dem wir uns darüber austauschen, was ich für Vorstellungen habe, und was sie für Wünsche haben. Eine der Frauen sagte mir nach einem Shooting: “Danke für deine tolle Art mit dem Thema umzugehen. Ich hätte das sonst nicht geschafft, ich habe nämlich sexuelle Übergriffe von meinem Vater erlebt und Ausziehen ist eigentlich völlig unmöglich für mich. Aber mit dir gings wirklich sehr gut, weil du gar nichts „doofes“ sexuelles ausgestrahlt hast.”. Das war das schönste Kompliment, das ich bisher bekommen habe, denn so soll es sein. Ich zeige jedem Model die Bilder und frage dann, ob sie sich selbst auf den Bildern erkennen und ihr OK dafür geben können. Sie sollen sich mit den Bildern wohlfühlen und sich damit identifizieren können. Wenn das nicht der Fall ist, kommt das Bild sofort raus.

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Sexabled: Wenn ich ein Shooting hatte, gab es immer wieder Situationen, bei denen irgendetwas nicht klappte. Der Fotograf und ich waren uns einig, alle wollten unbedingt aber entweder wollte mein Körper an diesem Tag nicht so recht mitmachen oder die äußeren Umstände waren nicht richtig. Kennst du solche Momente auch?

Sexabled: Klar kenne ich auch solche Momente, dass ich eine Idee im Kopf hatte und ich später zu Hause feststellen musste, dass ich sie an dem Tag nicht umsetzen konnte. Dann bin ich wieder zurück zu dieser Dame gegangen und habe zu Ihr gesagt: “Es tut mir leid, wir müssen wohl die Aufnahme nochmal neu machen, weil den Aufnahmen das gewisse Etwas fehlt, das ich in meinem Kopf hatte.”. Also das Gefühl kenne ich sehr gut, dass es an dem Tag einfach nicht klappen will. Dann muss man eben nochmal neu fotografieren.

Sexabled: Welches Feedback bekommst du von den Menschen? Gibt es viele negative Kommentare oder überwiegt das Positive?

Joan: Die meisten Leute sind begeistert von der Idee, besonders Menschen mit einer Behinderung finden die Ausstellung einfach gut. Sie freuen sich darüber, dass das Thema “Sexualität und Behinderung” endlich mal von jemandem thematisiert wird, wobei ich das Wort “Behinderung” eigentlich nicht so toll finde. Ich würde eher sagen “Sexualität mit Handicap”.

Sexabled: Ich gehöre definitiv zu den Fans, ganz klar. Du hast mir gesagt, dass du die Ausstellung schon einmal gemacht hast. War es schwierig einen geeigneten Ort für die Veranstaltung zu finden als du damit begonnen hast?

Joan: Eigentlich nicht, denn ich habe im Südpunkt regelmäßig einmal im Jahr eine Ausstellung, bei der mir Thematisch absolut freie Wahl gelassen wird. Diese Jahr ist es eben dieses Thema geworden. Manchmal kommen die Leute auch auf mich zu und fragen mich, ob ich meine Bilder bei ihnen ausstellen möchte. Das war zum Beispiel beim Thema Inklusion der Fall. Es hört sich vielleicht arrogant an, aber die Leute kennen meine Bilder, was es leichter macht Bilder auszustellen.

Sexabled: Ich finde nicht, dass das arrogant klingt, ich würde es einfach als verdienst deiner Arbeit sehen. Was tust du wenn nicht gerade mit der erotischen Fotografie von behinderten Menschen beschäftigt bist? Welche Motive reizen dich noch?

Joan: Also meine Bilder lassen sich eigentlich nicht verkaufen, aber das ist mir scheißegal, denn deswegen mache ich das nicht. Ich fotografiere solche Projekte, bei denen es Spaß macht sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich nehme gerne Tabu-Themen oder Themen von denen ich keine Ahnung habe. Ich habe als heterosexueller mit homosexuellen gearbeitet, ich habe über Menschenrechte eine Ausstellung gemacht und mit Klinik-Clowns gearbeitet. Meine nächste Ausstellung wird vermutlich zum Thema “Tod” sein und wenn Interesse da ist, wird es eine Wanderausstellung. Im März wird es Auch noch eine Ausstellung geben, da sind es allerdings eher lustige Bilder. Ich habe nämlich mal ein Orchester fotografiert und fand es ziemlich langweilig; so kam mir die Idee für diese witzigen Bilder.

Fotografie © Joan van Hout

Die Ausstellung „Alle tun es“ wurde leider abgesagt. Die Bilder könnt ihr über diesen Link trotzdem betrachten.

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