Das Geschenk der Unterwerfung
Sich zu unterwerfen ist in erster Linie eine Sache des Vertrauens. Für Menschen mit Behinderung ist es aber auch eine Sache der Umsetzung.
Unterwerfung ist etwas, das wir oftmals mit etwas Negativem in Verbindung bringen. Viele Menschen denken dabei zuerst an Kämpfe, die damit enden, dass sich die schwächere Person bzw. die schwächere Seite ergibt. Also eine Selbstaufgabe in Folge einer Niederlage. Daher ist es für viele Menschen etwas, was unbedingt vermieden werden muss, ungeachtet des Kontextes.
Wenn ich an Unterwerfung denke, denke ich an viele wunderschöne Stunden in meinem Leben und daran, was mir dieses Gefühl eigentlich bedeutet. An die Hingabe, die ich meinen Partner*innen schenke. An die wohlige Trance, die man im Sub Space findet, aus dem ich eigentlich nie erwachen möchte, sobald ich einmal darin bin. An die Zärtlichkeit und Romantik, die ich nach der Session erleben darf. Meine Gedanken sind also durchweg positiv besetzt.
Ich kenne auch einige Menschen, die von dem Gedanken, sich zu unterwerfen, durchaus angezogen sind. Wenn sie Bücher lesen oder Filme sehen, die eine BDSM Thematik behandeln, spüren sie ein Kitzeln oder Kribbeln in ihrem Inneren. Dieses Gefühl ist eigentlich der Ausdruck eines Wunsches. Man möchte zumindest in einem gewissen Maß erleben, was die jeweilige Figur in diesem Buch oder Film erlebt. Ob es dann dazu kommt oder nicht, hängt von vielen unterschiedlichen Dingen ab, für manche genügt auch die reine Fantasie. Das ist auch völlig in Ordnung, unser Kopfkino ist etwas wundervolles und hoch erotisches, daher sollten wir uns ruhig die eine oder andere Eintrittskarte dafür gönnen.
Wenn man sich dazu entschließen sollte, dem Wunsch nachzukommen und erste Erfahrungen zu sammeln, hat man natürlich erstmal ganz viele Fragen im Kopf. Für Menschen mit Behinderung ist eine der wichtigsten Fragen aber immer die Frage “kann ich das überhaupt und wenn ja, wie?”. Genau darüber soll es in diesem Beitrag gehen. Ich möchte euch ein paar Ideen mit auf den Weg geben, wie ihr gewisse Dinge umsetzen könnt. Nur eine Sache werde ich hier nicht groß behandeln, nämlich Bondage. Das liegt einfach daran, dass das Thema Bondage schon einen eigenen Beitrag bekommen hat. Jetzt sind mal ein paar andere Dinge an der Reihe.
Wie bin ich ein*e richtige Sub?
Die Frage “Wie bin ich ein*e richtige Sub?” geht Hand in Hand mit der Frage, ob Menschen mit Behinderung überhaupt Sub sein können. Der Punkt ist, es gibt keine “richtige” Sub. Die Formen der Unterwerfung sind extrem vielfältig und ihr habt die Möglichkeit euch in diesem sehr breiten Spektrum nach belieben zu bewegen. Dementsprechend gibt es etliche unterschiedliche Rollen,die man besetzen kann, wenn man sich unterwirft. Pet, Ropebunny, Little, die klassische Sub, ihr entscheidet, welche Rolle euch am besten gefällt und auch hier seid ihr völlig frei darin, verschiedene Rollen zu kombinieren oder einfach mehrere auszuleben. Falls ihr wissen möchtet welche Rollen es überhaupt gibt, findet ihr hier die gängigsten Begriffe und ihre Bedeutung.
Egal in welcher Rolle man sich unterwirft, es geht immer darum, Hingabe und Respekt auszudrücken. Die Hauptsache ist, dass es für euch und eure Partner*innen spürbar ist. Es muss dabei auch nicht immer um Sex gehen, denn das Spiel kann sich auch durchaus subtil ausdrücken. Welchen Weg ihr wählt, und aus welchen Gründen ihr Dinge tut bzw. nicht tut, ist eine Sache zwischen den beteiligten Personen. Bevor wir also weiter reden, muss ich es nochmal klar betonen. Es gibt keine “richtige” Sub, kein Mensch der ernsthaft BDSM betreibt und die Sache wirklich verstanden hat, wird einen derartigen Vergleich anstellen, bei allen anderen seid ihr bitte vorsichtig.
Tut was ihr für richtig haltet.
Wie man D/s ausleben möchte, hängt manchmal auch ganz von den Möglichkeiten ab, die der eigene Körper und das Umfeld so bieten, aber auch von den jeweiligen Vorlieben und Neigungen. Sowohl im sexuellen als auch im nicht sexuellen Bereich hat man vielfältige Möglichkeiten, die ihr teilweise sogar ganz einfach in euren Alltag übernehmen könnt ohne großartig aufzufallen.
Im sexuellen Bereich könnt ihr auf ganz klassische Spielarten zurückgreifen, ein bisschen Bondage und ein Halsband, mit oder ohne Leine, sind quasi das kleine Einmaleins der Unterwerfung. Ihr müsst euch ja nicht an die kompliziertesten Fesseltechniken wagen, ein Schal oder ein paar Handschellen können durchaus ebenso viel Spaß erzeugen. In meinem letzten Beitrag zum Thema Bondage habe ich hierzu ein paar grundsätzliche Dinge erklärt.
Auch die Orgasmuskontrolle, bis hin zum vorübergehenden oder dauerhaften Tragen von Keuschheits-Toys, ist ein beliebter und einfach umzusetzender Teil der Thematik. Solltet ihr viel sitzen, ist es allerdings empfehlenswert, auf leichte Keuschheits-Toys zu setzen. Bei gewissen Sitzhaltungen kann es sonst schnell zu einem äußerst unangenehmen Ziehen oder Druckstellen kommen. Letzteres ist unter allen Umständen zu vermeiden.
Wenn ihr euer Repertoire erweitern möchtet, könnt ihr je nach Lust und Laune auf verschiedene Accessoires zurückgreifen. Ein Napf ist beispielsweise nicht nur für Petplayer*innen geeignet, sondern eignet sich auch gut für besondere Tischregeln, falls ihr eure Sessions einmal ausweiten möchtet. Nehmt dann aber bitte einen eigenen Napf, nicht den eures Haustiers. Ich sag das übrigens nicht zum Spaß, in meinen Jahren in der Szene habe ich durchaus seltsame Dinge erleben dürfen, ihr wisst ja, Sicherheit und Hygiene stehen auf der Liste ganz oben.
Auch Spielarten die sich um Cuckolds oder Cuckqeans drehen, also um Menschen die ihren Partner*innen beim Sex mit anderen Menschen zusehen und durch den “Betrug” und die damit verbundene Demütigung Lust empfinden, gehören in den Bereich von Dominanz und Unterwerfung. Solltet ihr Lust daran empfinden, ist die einzige Hürde, eine passende dritte Person zu finden. Es gibt auch noch extremere Möglichkeiten, aber die erspare ich euch an der Stelle, vor allem weil es dafür eine tiefergehende Betrachtungsweise benötigt und die würde hier zu weit führen.
Wenden wir uns jetzt der anderen Seite zu, nämlich den Dingen, die so subtil sein können, dass ihr sie sogar in euren Alltag integrieren könnt. Ein bewusstes Machtgefälle ist durchaus dazu fähig, für uneingeweihte Menschen kaum erkennbar zu sein, selbst wenn es direkt vor ihren Augen praktiziert wird. Eine Leine werden andere Menschen natürlich sofort wahrnehmen, aber ein Halsband nicht unbedingt. Mittlerweile sind Halsbänder ein modisches Accessoire, welches man immer öfter in verschiedenen Formen in der Öffentlichkeit sieht. Dadurch kann man nicht automatisch einen D/s Hintergrund voraussetzen.
Auch Schmuck kann für eingeweihte Menschen durchaus vielsagend sein. Ein “Ring der O” ist ein ganz klassisches Erkennungszeichen der BDSM-Community. Die Szene verbindet mit diesem Schmuckstück durchaus eine gewisse Verhaltensnorm bezüglich des Tragens. Dominante Menschen tragen ihn oftmals am Ringfinger der linken Hand, wenn man gebunden ist, und am Mittelfinger, wenn man ungebunden ist. Subs tragen den O-Ring in der Regel am Ringfinger der rechten Hand, wenn man gebunden ist und am Mittelfinger, wenn man ungebunden ist. Das sollte man allerdings nicht verallgemeinern, denn mittlerweile gibt es auch Armbänder oder Halsketten, die das Thema aufgreifen. Der Punkt ist, dass ihr euer Symbol ungestört tragen könnt, denn der Mehrheit der Menschen ist die Bedeutung unbekannt.
Es geht aber auch noch subtiler. Eine der einfachsten Methoden ist es, eure Kleidung von eurem dominanten Gegenüber bestimmen zu lassen. Je nach eurer persönlichen Situation könnt ihr dies in Sessions, zu bestimmten Anlässen oder alltäglich betreiben. Auch gewisse Aufgaben können in ein derartiges Machtgefälle eingearbeitet werden. Der Klassiker wäre es, wenn man sich hier auf Putzdienste beschränken würde, aber das muss nicht sein. Ich gebe euch ein Beispiel anhand eines Pärchens mit zwei Kindern. Durch den Nachwuchs haben sich die Möglichkeiten, die Neigung auszuleben, deutlich verringert. Das ist ganz normal, ebenso normal ist es aber auch, dass irgendwann eine gewisse Sehnsucht einsetzt. Die beiden stellten also gewisse Aufgaben auf, die von der Sub erfüllt werden sollten. Eine davon ist es, dafür zu sorgen, dass sein Glas am Tisch immer gefüllt ist. Die Kinder und eventuelle Besucher*innen merken davon nichts.
Das ist natürlich nicht Eins zu Eins auf Menschen mit Behinderung übertragbar, ich könnte meinen Partner*innen auch kein Glas nachfüllen, aber das muss es auch nicht sein. Der Punkt ist, gemeinsam nach den individuellen Möglichkeiten und Gegebenheiten zu entscheiden. Hier läuft das übrigens frei nach dem Motto “Versuch macht klug”. Wenn sich dann zeigt, dass etwas nicht nach den eigenen Vorstellungen funktioniert oder man einfach keine Lust hat, kann man die Idee nochmal überarbeiten oder es lassen.
Unterwerfung ist nicht gleichbedeutend mit Selbstaufgabe.
Zum Abschluss nochmal ganz deutlich. Sich zu unterwerfen bedeutet keineswegs, sich selbst aufgeben zu müssen. Als Sub ist man kein willenloses Stück Fleisch, das bedingungslos zu gehorchen hat. Andersherum ist es aber auch so, dass euer dominantes Gegenstück nicht dazu da ist, euch alles abzunehmen. Wer Verantwortung abgeben möchte, muss auch in der Lage sein, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Wer Verantwortung übernehmen möchte, muss jederzeit fähig sein, einen verantwortungsvollen Rahmen dafür abzustecken und sich immer wieder zu hinterfragen, ob man die Verantwortung überhaupt annehmen möchte. Hingabe ist ein beidseitiges Geschenk, keine Bürde.