CSD Absage in Gelsenkirchen: Ein Spiegelbild steigender Queerfeindlichkeit

Eine Absage des CSDs in Gelsenkirchen. Eine explodierende Zahl queerfeindlicher Straftaten. Eine Polizei, die Rechtsextreme schützt. Ein Staat dem all diese Dinge offenbar egal sind.
Am Samstag, dem 17. Mai 2025, wurde der Christopher Street Day (CSD) in Gelsenkirchen kurzfristig abgesagt. Die Veranstalter des queeren Jugendzentrums „Together“ entschieden sich, die geplante Demonstration unter dem Motto „Gesellschaft ist, was wir daraus machen“ mit bis zu 600 Teilnehmenden aus Sicherheitsgründen nicht durchzuführen. Die Polizei hatte zuvor eine „abstrakte Bedrohungslage“ gemeldet, ohne jedoch einen konkreten Anschlagsort zu benennen.
Trotz der Einschätzung der Polizei, dass das Straßenfest hätte stattfinden können, entschieden die Veranstalter eigenständig, die Veranstaltung abzusagen, insbesondere im Hinblick auf die vielen jungen Teilnehmenden. Politiker wie Ilayda Bostancieri (Grüne) sowie Christin Siebel und Sebastian Watermeier (beide SPD) äußerten sich betroffen und betonten, dass die Freiheit zur Sichtbarkeit queerer Menschen nicht durch Angst eingeschränkt werden dürfe. Die Absage war Teil eines größeren Aktionstages gegen Homophobie mit geplanten CSDs in mehreren Städten.
Diese Entscheidung wirft einen Schatten auf die Sicherheit queerer Menschen in Deutschland und steht im Kontext eines besorgniserregenden Anstiegs queerfeindlicher Straftaten sowie der Präsenz rechtsextremer Gruppen, die zunehmend auch von staatlichen Institutionen geschützt werden.
Anstieg queerfeindlicher Straftaten: Ein alarmierender Trend
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 1.785 Fälle von Hasskriminalität gegen queere Menschen registriert. Dies entspricht einem Anstieg von etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders besorgniserregend ist, dass die Zahl der Gewalttaten in diesem Bereich von 197 auf 212 stieg. Diese Entwicklung wird von Experten als alarmierend eingestuft, zumal von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert daher eine Verbesserung des Rechtsschutzes für queere Menschen und eine konsequentere Verfolgung queerfeindlicher Straftaten.
Rechtsextreme Aufmärsche: Polizei als Schutzmacht für Hass
Parallel zu diesem Anstieg queerfeindlicher Gewalt nehmen auch die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen zu. In Städten wie Zwickau, Dortmund und Görlitz kam es zu Aufmärschen von Neonazis und anderen rechtsextremen Gruppierungen, die gezielt gegen CSD-Veranstaltungen mobilisierten. In Zwickau etwa wurden zwei Jugendliche im Vorfeld eines CSDs von Unbekannten angegriffen, wobei einem das Smartphone geraubt wurde. In Görlitz marschierten mehr als 700 Menschen unter dem Motto „Heimat und Tradition bewahren – Kinder schützen vor dem Gender-Wahn“ gegen den CSD. Dabei wurden verbotene rechte Parolen skandiert und der sogenannte Wolfsgruß gezeigt.
Die Polizei reagierte auf diese Bedrohungen mit massivem Einsatz: In Zwickau waren 477 Beamte im Einsatz, in Görlitz wurden mehrere Straftaten zur Anzeige gebracht. Doch trotz dieser Präsenz stellt sich die Frage, ob der Schutz queerer Menschen ausreichend gewährleistet ist. In einigen Fällen scheint der Staat eher als Schutzmacht für rechtsextreme Gruppen zu agieren, indem er deren Versammlungen absichert, während gleichzeitig queere Veranstaltungen abgesagt werden.
Staatliche Ambivalenz: Schutz für Hass, Repression für Vielfalt
Die Absage des CSD in Gelsenkirchen ist nicht nur ein Einzelfall. Sie spiegelt eine zunehmende Ambivalenz des Staates im Umgang mit queerer Sichtbarkeit und rechtsextremer Gewalt wider. Während rechtsextreme Gruppen unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit ihre Hetze verbreiten dürfen, sehen sich queere Menschen gezwungen, ihre Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen abzusagen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Warum wird die Versammlungsfreiheit von Hasspredigern geschützt, während die Sichtbarkeit von queeren Menschen gefährdet wird?
Fazit: Ein Weckruf für die Gesellschaft
Die Absage des CSD in Gelsenkirchen sollte als Weckruf für die Gesellschaft dienen. Sie zeigt auf, dass die Freiheit zur Sichtbarkeit queerer Menschen nicht selbstverständlich ist und dass der Staat mehr tun muss, um diese Freiheit zu schützen. Es bedarf einer klaren Haltung gegen queerfeindliche Gewalt und einer konsequenten Verfolgung entsprechender Straftaten. Zudem muss der Staat sicherstellen, dass er nicht zum Schutzraum für rechtsextreme Gruppen wird, sondern aktiv gegen deren Hetze und Gewalt vorgeht. Nur so kann eine Gesellschaft entstehen, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird.