Handicap-Love – 50 Jahre Stonewall und mein erster Christopher Street Day.

Die Band Basement79 auf der Bühne auf dem Münchener Marienplatz.

Dieses Jahr feiert die LGBTQ+ Community das 50. Jubiläum des Stonewall-Aufstands, für mich ist es der erste Besuch des Christopher Street Day (CSD). Einen kleinen Einblick in die Geschichte des CSD und in meine Erlebnisse an diesem Tag, bekommt ihr selbstverständlich hier.

Bevor ich damit anfange, euch über die Geschichte des Christopher Street Day und meine Erlebnisse zu erzählen, muss ich noch eine Frage beantworten. Die Frage lautet “Was hat der CSD eigentlich auf deinem Blog zu suchen? Dabei gehts doch nicht um Menschen mit einem Handicap.”

Zumindest dem letzten Teil dieser Frage kann ich nicht widersprechen, beim Christopher Street Day geht es offenkundig nicht um behinderte Personen, muss es aber auch nicht. Ich selbst sehe mich als Teil der LGBTQ+ Community, deswegen gehe ich auf den CSD und alleine deswegen gehört der CSD auch hierhin, aber nicht nur deswegen.

Abgesehen davon vertrete ich die Meinung, dass ein Ereignis, welches sich seit seiner Gründung für Werte wie “Vielfalt” und “Gleichberechtigung” einsetzt, definitiv hierhin gehört. In dieser Hinsicht, unterscheiden sich die Ansichten von den meisten Mitgliedern und Supportern der LGBTQ+ Community nicht von denen der meisten behinderten Menschen und deren wirklichen Supportern. Die Welt ist bunt, wir sind alle Menschen, wir sind zwar unterschiedlich aber trotzdem gleich.

Nachdem wir dies nun geklärt haben, können wir uns den eigentlichen Themen widmen.

Wie eine Razzia die Welt veränderte, 50 Jahre Stonewall.

Es scheint wie pure Ironie, dass ein Versuch der Unterdrückung eben jenes Fest der Vielfalt zur Folge haben sollte, doch genau so ist es. Am Morgen des 28. Juni 1969, gingen Beamte der New Yorker Polizei gegen die Betreiber und Besucher des Stonewall Inn vor. 

Razzien gegen die Homosexuellenszene waren bis in die 60er Jahre keine Seltenheit, im Gegenteil, es gab sie überall in den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1969 waren „Schwulenbars“ allerdings bereits legalisiert, hinter jener Razzia steckten wohl politische Motive. Was genau in dieser Nacht passierte, welche Handlung letztendlich den Widerstand auslöste, ist bis zum heutigen Tag nicht wirklich geklärt. Fakt ist, die betroffenen Personen begangen damit, sich zum ersten Mal in größerem Umfang, gegen diese Form der Unterdrückung zu wehren.

In Folge dieser Razzia kam es, in drei Nächten, zu mehreren größeren Auseinandersetzungen mit der New Yorker Polizei. In diesen Nächten entlud sich der jahrelang aufgestaute Zorn einer Bevölkerungsgruppe, einer Gruppe die es endgültig leid war für ihre sexuelle Orientierung drangsaliert zu werden.

Die Gay Liberation Front organisierte im folgenden Jahr einen Marsch vom Greenwich Village zum Central Park, um dem Stonewall-Aufstand zu Gedenken. Zwischen 5.000 und 10.000 Menschen nahmen daran teil, damit begründeten sie die Tradition des Christopher Street Day.

Der ursprüngliche Sinn des CSD war die Entkriminalisierung von Homosexualität, mittlerweile geht es eher darum für Toleranz bei der heterosexuellen Bevölkerung zu werben. Die Nacht des 28. Juni 1969 war also nicht nur einen Wendepunkt bei der Diskriminierung von homosexuellen Menschen, sondern auch ein Beginn für ein neues Selbstbewusstsein.

Mein erster CSD.

Mein erster Besuch des CSD fiel also auf dieses besondere Jubiläum, was sicherlich eine tolle Sache ist, doch es ist auch purer Zufall. Bisher hatte sich ein Besuch einfach nie ergeben. Manchmal scheiterte es an der Begleitung, meistens scheiterte es aber an mir selbst. In der Regel meide ich große Menschenmengen, denn ich fühle mich dabei oft überfordert. Trotzdem wollte ich endlich einmal den CSD besuchen und dieses mal schienen die Rahmenbedingungen, abgesehen von dem angesagten Regen, endlich zu stimmen. 

Fingernägel einer linken Hand, in den Farben des Regenbogens.

Um diese besagte Überforderung zu vermeiden, entschieden wir uns für den ruhigeren Sonntag, was tatsächlich eine großartige Entscheidung war. Wir kamen kurz nach 13:00 Uhr am Marienplatz an, die Stimmung ist bereits ausgesprochen gut und meine Nervosität schwindet, es ist glücklicherweise noch nicht allzu viel los. Mein Begleiter führt mich erstmal komplett durch den CSD, von Stand zu Stand. Auf dem Weg von einem Ende des CSD zum anderen Ende gibt es viel zu sehen, trotz der frühen Uhrzeit. Wir kommen an einigen politischen Ständen vorbei, die FDP, die Grünen, die Linken, die SPD, die Piratenpartei und VOLT waren vertreten. Als wir am Stand der FDP vorbeikommen schenkt man mir einen Luftballon, ich bedanke mich natürlich, trotzdem lasse ich ihn ein paar Meter weiter fliegen. 

Abgesehen von den politischen Ständen gab es natürlich auch unterschiedliche Interessensgruppen und Angebote zu betrachten. Unter anderem gab es Stände der SM-Gruppen JungeSMünchen und FreieSMünchen, auch die Stiftung “Prout at Work” war vor Ort. Ebenso die Aids-Hilfe, Amnesty international, die Safety-Aktionsgruppe, die Aktion “Schluss machen jetzt” und die Bundespolizei. Gerade die Bundespolizei möchte ich hier nochmal besonders hervorheben, ich fand es wirklich großartig, wie gut sich die Beamten in die Feier integriert haben und wie offen man sich präsentiert hat.

Ein Rollstuhlfahrer steht neben einem 3 Meter hohen Plastik-Penis, der Penis trägt die Aufschrift "Safer Sex"

Am anderen Ende des CSD angekommen, begegnete uns die erste Gruppe von Menschen die Umarmungen verteilte #Freehugs, eine wunderschöne Geste und ich wurde schon lange nicht mehr so häufig umarmt wie auf dem CSD. Ein paar Umarmungen später, viele weitere sollten noch folgen, ging es den Weg zurück. Für eine Bratwurst und Musik marschieren wir wieder vorbei an den Ständen, nicht ohne von der FDP einen weiteren Ballon zu bekommen, und schließlich sitzen wir mit einer Bratwurst in den Händen vor der Bühne am Marienplatz und lauschen der Band “BASEMENT79”.

Nach der Bratwurst brechen wir erneut auf, um die andere Bühne des CSD am unteren Anger zu erreichen, dort hatte meine Begleitung einen McCafé Stand erspäht und der Körper verlangte nach Koffein. Wir marschieren erneut durch die Menge, umarmen wieder fremde Menschen die einem trotzdem verbunden scheinen und bekommen schon wieder einen Luftballon der FDP.

Eine Sammlung diverser Flyer die wir auf dem CSD sammeln konnten.
Unsere „Errungenschaften“ ohne FDP Luftballons.

Am McCafé Stand angekommen beschließt mein Begleiter dass er sich nicht in die Schlange stellen möchte. Stattdessen lauschen wir einem Chor, welcher zuerst den Song “Shallow” von Lady Gaga und Bradley Cooper covert und danach “Africa” von Toto. 

Währenddessen füllt der CSD sich unaufhörlich mit neuen Besuchern und wir beschließen dass es Zeit für die Heimreise wird. Wir gehen also ein letztes Mal durch die Menge, dieses mal an der FDP und an der Bühne am Marienplatz vorbei. Als wir uns vom Ort des Geschehens entfernen, höre ich hinter mir noch eine Coverversion von Rihannas “Umbrella“.

Das war er also, mein erster CSD unter dem Motto “50 Jahre Stonewall – Celebrate diversity! Fight for equality!”. Ein schöner Tag, eine großartige Feier und immer noch ein lohnenswerter Kampf.

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