Klimastreik: Meine Rede am Königsplatz

Oben links ist ein Ausschnitt der Erde aus dem All zu sehen. Darunter stehen zwei schräge Banner – ein rotes und ein grünes – mit weißer Schrift: „MEINE REDE BEIM KLIMASTREIK!“ und „14.11. AM KÖNIGSPLATZ“. Rechts daneben ein kleines „One World“-Logo mit einer stilisierten Erde. Unten ist ein zerknitterter Papierhintergrund mit schwarzem, typwriter-ähnlichem Text: „Merz, Klimaschutz? KlimaGERECHTIGKEIT?!? Fehlanzeige! Mach mit, sag deine Meinung! Komm auf die Straße und fordere Veränderung!“.

Der Klimastreik in München zeigt, Klimagerechtigkeit beginnt dort, wo marginalisierte Stimmen nicht nur mitlaufen, sondern den Protest maßgeblich prägen.

Gestern durfte ich beim Klimastreik am Münchner Königsplatz eine Rede halten. Ein Moment, der mir viel bedeutet. Ich habe darüber gesprochen, wie eng die Klimakrise und soziale Kämpfe miteinander verbunden sind und warum wir echte Klimagerechtigkeit nur gemeinsam erreichen können.

Gestern war ein starkes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, marginalisierten Stimmen Raum zu geben. Wenn wir über Klimagerechtigkeit sprechen, müssen diejenigen im Mittelpunkt stehen, die von der Klimakrise am härtesten getroffen werden. Genau das ist gestern passiert und das hat die Demo noch kraftvoller gemacht.

Ein riesiges Danke an Fridays for Future München und das Antikapitalistische Klimatreffen München für die starke Organisation und dafür, dass ihr es möglich gemacht habt, mir in kürzester Zeit noch eine Rampe für die Bühne zu besorgen.

Danke auch an Lisa Poettinger fürs Filmen.

Der Text

Liebe Menschen,

wir stehen heute hier, weil die Klimakrise kein abstraktes Zukunftsszenario ist. Sie ist Gegenwart und sie verschärft jede Ungerechtigkeit, die es ohnehin schon gibt. Die Klimakrise ist nicht „nur“ ein ökologisches Problem. Sie ist ein soziales, ein ökonomisches, ein koloniales Problem. Und sie trifft zuerst und am härtesten diejenigen, die ohnehin täglich um Sichtbarkeit, Rechte und ein würdiges Leben kämpfen müssen.

Wenn wir über Klimagerechtigkeit reden, dann reden wir auch über Armut, über Rassismus, über Behinderung, über Geschlecht, über queere Identitäten, über Migration, über Care-Arbeit. Wir reden über Menschen, die seit Jahrzehnten übersehen werden von einem System, das Profite über Leben stellt.

Denn es ist kein Zufall, wer nach einer Überschwemmung seine Wohnung verliert, wer in Sommerhitze stirbt, wer sich keine Klimaanlage leisten kann, wer Barrieren im Katastrophenschutz erlebt, wer an den Rand gedrängt wird, wenn Städte „klimafit“ gemacht  werden sollen. Falls sie „klimafit“ gemacht  werden sollen.

Die Klimakrise ist ein Brennglas. Sie zeigt uns schonungslos, was falsch läuft: dass unser Wohlstand auf Ausbeutung aufgebaut wurde, auf der Ausbeutung von Ressourcen, aber auch auf der Ausbeutung von Menschen.

Und genau deshalb müssen wir sagen: Echter Klimaschutz ist immer antikapitalistisch, antirassistisch, antikolonial, feministisch und inklusiv. Weil es ohne diese Perspektiven keine Gerechtigkeit geben kann.

Wir müssen klar benennen, welche Gefahren die Klimakrise besonders für marginalisierte Menschen mit sich bringt. Gefahren, über die Politik und Medien viel zu selten sprechen.

Für viele Menschen mit Behinderung bedeutet Hitze schlicht Lebensgefahr: weil ihre Körper weniger regulieren können, weil Evakuierungs- und Katastrophenschutzpläne nie barrierefrei gedacht wurden und die Leben von Menschen mit Behinderung schlicht nicht relevant genug sind. Eine Wohneinrichtung wird im Fall einer Überschwemmung schnell zur Todesfalle.

Für queere Menschen, insbesondere Jugendliche, bedeutet die Klimakrise eine Zunahme von Gewalt, Armut und Obdachlosigkeit. Je stärker soziale Netze bröckeln, desto mehr verlieren diejenigen, die ohnehin selten sichere Orte haben.

Für migrantische und geflüchtete Menschen bedeutet die Klimakrise Entrechtung, Pushbacks, Lagergewalt und eine Politik, die lieber Grenzen schützt als Menschenleben. Die Klimakrise zwingt Menschen zur Flucht und Europa antwortet mit Mauern.

Für Menschen in Armut oder Alleinerziehende bedeutet die Klimakrise, dass sie die steigenden Preise am härtesten spüren: Energie, Wohnen, Lebensmittel. Dass sie im Sommer in aufgeheizten Wohnungen sitzen, weil sie sich keine Klimaanlage leisten können, und im Winter frieren, weil Heizkosten unbezahlbar geworden sind.

Für chronisch kranke Menschen bedeutet die Klimakrise, dass Medikamente fehlen, dass Gesundheitsversorgung schwächelt, dass Hitzewellen Herz, Lunge und Immunsystem angreifen. Die Klimakrise macht krank und sie trifft die ohnehin Belasteten zuerst.

Für alle Menschen, für jeden von uns, bedeutet sie auch eine politische Gefahr: Während die Auswirkungen der Klimakrise heftiger werden, gewinnen rechte und autoritäre Kräfte an Einfluss. Sie nutzen Angst, Unsicherheit und soziale Spaltung, um Menschen gegeneinander auszuspielen. Die AfD und andere Rechtsextreme profitieren davon, wenn Menschen verzweifeln. Sie wollen keine Lösungen, sie wollen Chaos, weil es ihnen Macht verschafft.

Diese Gefahren sind real. Und sie werden größer, wenn wir nicht handeln.

Wir brauchen eine Klimapolitik, die Menschen schützt, nicht Konzerne. Die Care-Arbeit aufwertet statt sie unsichtbar zu machen. Die Menschen mit Behinderung, Menschen in Armut, queere Menschen, chronisch kranke Menschen, prekär Beschäftigte und migrantische Communities nicht ans Ende der Prioritätenliste setzt.

Wir brauchen eine Politik, die versteht, dass Hitze und Kälte tödlich sind. Dass Barrierefreiheit im Katastrophenschutz kein „Luxus“ ist. Dass das Recht auf Wohnen, Gesundheit, Mobilität und Sicherheit kein Nice-to-have ist, sondern die Grundlage eines würdigen Lebens.

Wir müssen laut sagen: Diejenigen, die am wenigsten zur Krise beigetragen haben, zahlen schon heute den höchsten Preis. Das ist ungerecht. Das ist vermeidbar. Das ist politisch gewollt.

Stattdessen erleben wir, wie Regierungen lieber Menschen gegeneinander ausspielen, anstatt Verantwortung zu übernehmen. Wie Sozialleistungen gekürzt, Menschen stigmatisiert und Betroffene zum Problem erklärt werden, während fossile Konzerne Rekordgewinne einfahren. Das ist der eigentliche Skandal!

Wir kämpfen heute nicht nur für den Klimaschutz. Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen überleben. Dass niemand zurückgelassen wird. Dass Klimapolitik nicht auf dem Rücken derjenigen gemacht wird, die am wenigsten haben.

Klimagerechtigkeit bedeutet: Wir bauen eine Gesellschaft, in der nicht nur die Mächtigen und Privilegierten durchkommen. Sondern alle. In der marginalisierte Menschen nicht nur „mitgedacht“ werden, sondern in der sie selbst die Entscheidungen mitprägen.

Unsere Zukunft wird nicht in Vorstandsetagen entschieden. Sie wird hier entschieden, auf der Straße, in der Solidarität füreinander, im gemeinsamen Widerstand gegen ein System, das uns spaltet.

Wir sind heute nicht nur Klimaaktivist*innen. Wir sind auch Antifaschist*innen, Feminist*innen, Sozialaktivist*innen, Verbündete und Betroffene.

Die Klimakrise ist die größte soziale Frage unserer Zeit. Wir beantworten sie mit Zusammenhalt, mit Widerstand und mit einer Vision, die größer ist als die Sorgen vor der Zukunft.

Eine gerechte Welt ist möglich. Aber nur, wenn wir sie gemeinsam erkämpfen.

Danke.

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